Startendes Flugzeug am Himmel | © Flughafen Linz
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Luftfahrt Knowhow

Kann ein Flugzeug rückwärts fliegen?

Vielleicht hat sich der eine oder andere schon einmal die Frage gestellt, ob ein Flugzeug rückwärts fliegen kann? Bevor wir diese Frage beantworten, möchten wir zuerst erklären, wieso ein Flugzeug überhaupt abheben und in der Luft bleiben kann.
Wie in vielen anderen Bereichen unserer Umwelt, die uns vielleicht anfangs geheimnisvoll vorkommen, sind auch beim Fliegen einfach erklärbare physikalische Gesetze dafür verantwortlich, dass ein Flugzeug abhebt.

Wieso kann ein Flugzeug überhaupt fliegen?

Schuld daran ist ein gewisser Daniel Bernoulli. Er war einer der wichtigsten Physiker im Bereich der Strömungslehre und hat diese, seit jeher geltenden Naturgesetze, zu Papier gebracht und detailliert erforscht.
Bernoulli beschrieb erstmals das Prinzip des Auftriebs und deshalb spricht man auch heute noch vom „Bernoulli Effekt“. Doch was genau bedeutet dieser Effekt beim Fliegen?
Die Luft bewegt sich unterschiedlich schnell über Ober- und Unterseite der Flügel eines Flugzeugs, was zu einem Auftrieb führt und dafür sorgt, dass sich die Maschine in die Luft heben kann. Einfach, oder?

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Ganz so simpel ist es aber leider nicht. Damit ein Flugzeug wirklich fliegen kann, braucht es noch ein bisschen mehr. Besonders wichtig ist dabei die jeweilige Konstruktion, insbesondere natürlich der Flügel. Die Tragfläche, von der Seite betrachtet, ist oben gewölbt, unten ziemlich gerade (siehe Abbildung). Die Luft legt deshalb oben einen längeren Weg zurück und muss dadurch schneller strömen als unten. Durch diese Unterschiede entstehen in Folge oben ein Unterdruck und unten ein Überdruck. Um dann wirklich fliegen zu können, muss die Luft auch mit einer entsprechend hohen Geschwindigkeit über die Tragfläche strömen, damit der Überdruck, und somit der Auftrieb, größer ist als die Schwerkraft, die das Flugzeug nach unten zieht.

 

 

Eine Frage der Mindestgeschwindigkeit

Deshalb benötigt jedes Flugzeug auch eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit, bei der es  noch in der Luft bleiben kann. Dabei ist es dem Flugzeug egal, aus welcher Richtung der Wind kommt, ob er von vorne über die Tragflächen bläst oder von hinten anschiebt.
Aus diesem Grund gibt es im Cockpit auch mehrere verschiedene Geschwindigkeitsanzeigen. Für uns als Passagiere ist es wichtig, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen, weshalb es für uns am interessantesten zu wissen ist, wie schnell wir uns nach vorne bewegen. Diese Geschwindigkeitsanzeige wird in der Luftfahrt als „Ground Speed“ bezeichnet. Das ist die Geschwindigkeit, die wir auch meinen, wenn wir uns sonst auf der Erde fortbewegen.

Für die Piloten hingegen ist es viel wichtiger zu wissen, wie schnell die Luft über die Tragflächen ihres Flugzeuges strömt, um hier eben nicht unter die Mindestgeschwindigkeit zu kommen und kontinuierlich in der Luft zu bleiben. Schneller ist dabei aber nicht immer besser, denn es gibt auch eine konstruktionsbedingte Höchstgeschwindigkeit für jeden Flugzeugtyp, damit die Materialien durch die Luftströmungen nicht beschädigt werden. So, nach dem kleinen Ausflug in die Physik wieder zurück zu unserer eigentlichen Frage.

Ist Rückwärtsfliegen technisch überhaupt möglich?

Kurz gesagt, nein und wofür auch? Bleibt nur die Frage, wieso das nicht funktioniert? Damit sind wir wieder beim Bernoulli Effekt. Wenn ein Flugzeug in der Luft rückwärts fliegen sollte, müsste es ja zuerst immer langsamer werden, um dann rückwärts beschleunigen zu können. Aber genau durch das langsamer werden würde es irgendwann unter die benötigte Mindestgeschwindigkeit kommen, es käme zu einem sogenannten Strömungsabriss, der Auftrieb ist weg und das Flugzeug kann sich nicht mehr in der Luft halten. 

Es gibt aber einige spezielle Flugzeuge, wie die russische AN-2 oder auch der in den 30er Jahren entwickelte Fieseler Storch. Diese besitzen extrem niedrige Mindestgeschwindigkeiten, wodurch sie bei entsprechend starkem Gegenwind in der Luft stehen bleiben, oder sich sogar langsam rückwärts bewegen können. Wobei dies eher nicht als fliegen bezeichnet wird, sondern als ein kontrolliertes „sich treiben lassen“. Auch im Kunst- und Modellflugbereich gibt es einige Flugzeuge, die zum Beispiel in der Luft senkrecht stehen bleiben können. Das hängt aber mit dem Gewicht-Leistungsverhältnis des Motors und des Propellers zusammen.

Der Rückwärtsgang von Flugzeugen

Auch ohne die Möglichkeit im Flug die Richtung zu ändern, besitzen Flugzeuge aber eine Art Retourgang, den sogenannten „Reverse Thrust“. In diesem Modus wird ein Umkehrschub erzeugt und die Luft, die durch die Triebwerke strömt, umgeleitet. Bei Passagierflugzeugen wird dann die von den Turbinen eingesaugte Luft nicht mehr nur nach hinten, sondern, über ein System von Klappen, großteils seitlich ausgestoßen. Bei Propellerflugzeugen erreicht man den gleichen Effekt durch entsprechendes Verstellen der Luftschraube. Dieses System kann aber nicht in der Luft aktiviert werden und wird nur nach der Landung zur Unterstützung der Radbremsen eines Flugzeuges verwendet.

Rückwärtsfahren – geht das?

Ja, mit Hilfe des Umkehrschubs können Flugzeuge langsam rückwärts rollen. Das wird aber nur in absoluten Ausnahmefällen gemacht, da hier die Triebwerke mit sehr hoher Leistung laufen müssen und die Gefahr besteht, dass in der Nähe befindliche Personen, Gegenstände oder auch Fahrzeuge verletzt, beziehungsweise beschädigt werden könnten. Das rückwärts Ausparken, auch „Pushback“ genannt, wird von speziellen Fahrzeugen übernommen.  Da bei uns am Flughafen Linz die Maschinen nicht mit der Nase voran direkt vor dem Gebäude parken, ist dies hier nicht notwendig.

Es gibt immer wieder Versuche mittels an den Rädern montierter Elektromotoren dem Flugzeug ein eigenständiges Rückwärts-Rollen zu ermöglichen, ohne dabei Kerosin zu verbrauchen. Die Idee umweltfreundlich bis zur Startbahn zu rollen klingt zwar auf den ersten Blick gut - scheitert aber an schwer überwindbaren Hürden, die das zusätzliche Gewicht und den damit zusammenhängenden Treibstoffverbrauch betreffen. Versuche gab es bereits von Airbus und Lufthansa vor einigen Jahren und auch ein amerikanisches Start-Up Unternehmen entwickelt derzeit einen solchen Antrieb. Ob ein System in dieser Form marktreif wird, ist aber derzeit noch ungewiss.  

Es bleibt also dabei: Flugzeuge können nicht einfach in der Luft stehen bleiben und dann rückwärts fliegen. Sie sind dafür gebaut, um Personen oder Güter, möglichst schnell und wirtschaftlich, von einem Ort zum anderen transportieren zu können - dazu benötigt man keinen Retourgang. Wenn man in der Luft stehen bleiben muss, oder sich seitlich oder gar rückwärts bewegen sollte, dann ist ein Hubschrauber dabei nach wie vor die erste Wahl.