Drei Lufthansa Maschinen am Vorfeld, Gewitterstimmung im Hintergrund | © Linz Airport
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Luftfahrt Knowhow

Flugverkehr und Wetter: Gewitter

Jeder kennt die, speziell in den Sommermonaten, schnell wachsenden Wolkentürme, welche sich dann oftmals zu schweren Unwettern entwickeln.  

Welche Schäden Unwetter anrichten können weiß man, doch wie gefährlich sind Gewitter für ein Flugzeug? Was passiert, wenn ein Blitz ins Flugzeug einschlägt? Kann Hagel ein Flugzeug ernsthaft beschädigen? Können Sturmböen ein Flugzeug zum Absturz bringen? Diese Fragen möchten wir in diesem Beitrag über „Flugverkehr und Wetter: Gewitter" beantworten.  

Safety First

Bevor wir uns allerdings mit dem Thema „Flugverkehr & Wetter: Gewitter” genauer befassen, können wir festhalten: auch beim Wetter gilt in der Luftfahrt der Grundsatz: „Safety First“. Obwohl Flugzeuge so konstruiert sind, dass sie Unwetter ohne größere Probleme überstehen, ist es doch so, dass Piloten solchen Gewittertürmen mit viel Respekt begegnen. Sie sind trainiert, jede Art von Risiko zu vermeiden und natürlich wird dabei sehr an das Wohlbefinden der Passagiere gedacht. Keiner sitzt gerne in einem Flugzeug, das durch Turbulenzen in alle Richtungen durchgeschüttelt wird.  

Um die möglichen Gefahren von Blitz, Hagel und Sturm besser erklären zu können, ist es am einfachsten den Flug in zwei Phasen zu betrachten. Zum einen die Zeit in Reiseflughöhe und zum anderen die Start- und Landephase. Bei der Vorbereitung der Crew auf einen Flug, dem sogenannten Briefing, wird natürlich immer auch ein Blick auf den Wetterbericht geworfen. Sind auf der Strecke bzw. am Zielflughafen Gewitter zu erwarten, wird auch dieser Umstand besprochen. Die Piloten kalkulieren extra Treibstoffmengen für den Fall ein, dass sie einen Umweg, die eine oder andere Warteschleife fliegen oder auch einen Ausweichflughafen ansteuern müssen. 

Silhouette eines Flugzeuges im Sturm | © envato

In Reiseflughöhe

Hat ein Flugzeug seine Reiseflughöhe von rund 10.000 Metern erreicht, stellen Gewitterzellen keine Gefahr mehr dar. Obwohl diese Wolkentürme teilweise bis über 12.000 Meter hochreichen, ist es kein Problem sie zu umfliegen. Bei Wetterlagen mit vielen einzelnen Wärmegewittern kann es allerdings passieren, dass Flugzeuge abwechselnd links und rechts mit entsprechendem Abstand an solchen Wolkentürmen vorbeinavigieren müssen. Besonders beeindruckend sind diese Gewitterzellen in der Dämmerung, wenn die Wolken immer wieder von den Blitzen hell erleuchtet werden. Den faszinierenden Anblick aus einem Flugzeugfenster auf solch spektakuläre Wettererscheinungen wird man sein Leben lang nicht mehr vergessen.  
Etwas schwieriger wird es für Piloten bei Schlechtwetterfronten, die sich oft über mehrere hundert Kilometer quer zur Flugroute erstrecken. Da aber auch hier nur einzelne Gewittertürme bis in Reiseflughöhe reichen, finden sich immer Lücken, um bequem durchschlüpfen zu können. 

Frachtflugzeug beim Beladen, Gewitterstimmung im Hintergrund | © Linz Airport

Lande- und Startphase

Etwas komplizierter gestaltet sich die Situation bei der Landung oder beim Start. Grundsätzlich wird kein Pilot mitten durch eine Gewitterzelle fliegen und mit aller Gewalt versuchen, zu landen, beziehungsweise zu starten und direkt in ein Gewitter hineinzufliegen. Aber welche Optionen hat eine Crew in solchen Fällen?  
Ganz entscheidend ist die Lage und Zugrichtung der Gewitterzelle, ob sie sich im An-/Abflug-Korridor oder vielleicht direkt über dem Airport befindet. Bei Blitzeinschlägen in einem Umkreis von 3 Kilometern um den Flughafen wird aus Sicherheitsgründen (für das Personal am Vorfeld) die Flugzeugabfertigung eingestellt (Shutdown). Wenn eine Gewitterzelle den Anflugkorridor blockiert, sodass die Maschinen direkt durch diese fliegen müssten, werden den Piloten von den Fluglosten Warteräume zugewiesen, wo sie dann Schleifen fliegen (Holding) bis das Unwetter wieder abgezogen ist. Sollte ein Landung länger nicht möglich sein, werden die Maschinen zu einem Ausweichflughafen umgeleitet, dort wird abgewartet, bis am Zielflughafen das Gewitter vorüber ist. Es kommt aber auch vor, dass Piloten direkt einen Ausweichflughafen anfliegen.  
 

Flughafengebäude luftseitig, Gewitterstimmung | © Linz Airport

Was passiert im Flugverkehr, wenn das Gewitter gerade erst im Anmarsch ist?

Solange das Gewitter noch nicht unmittelbar über dem Flughafen oder im Anflugbereich steht, werden Piloten in Absprache mit den Fluglotsen den Landeanflug beginnen. Allerdings kann so ein Anflug bei schlechtem Wetter durchaus einmal etwas holprig werden, für das Flugzeug droht hier aber keine Gefahr.  
Das größte Risiko für ein landendes Flugzeug sind sogenannte Schwerwinde, auch Fallwinde oder Microburst genannt. Hier können auf kleinem Raum kurz hintereinander Auf- und Abwinde auf ein Flugzeug treffen, wobei eine Maschine im schlimmsten Fall unmittelbar vor dem Aufsetzen zu Boden gedrückt werden könnte.  Piloten werden heutzutage auf solche Situationen trainiert und moderne Verkehrsflugzeuge erkennen mithilfe bestimmter Bordinstrumente die Gefahr. Somit können die Piloten rechtzeitig den Landanflug abbrechen und durchstarten, wenn kein sicherer Landeanflug möglich ist.  

Blitz, Sturm und Hagel

Was passiert, wenn ein Flugzeug von einem Blitz getroffen wird und wie oft kommt das vor? 
Eigentlich viel öfters als man glaubt. Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat errechnet, dass ein Flugzeug im Durchschnitt einmal im Jahr von einem Blitz getroffen wird bzw. jeder Pilot einmal im Jahr einen Blitzschlag im Cockpit miterlebt. Allerdings ist die Gefahr von Blitzschlägen bei Flugzeugen auch geographisch stark unterschiedlich. Die meisten Einschläge treten laut NASA, aufgrund der höheren Gewittertätigkeit, nahe dem Äquator auf.  

Verkehrsflugzeuge müssen so designt werden, dass sie Blitzeinschläge ohne größere Probleme verkraften können. Alle Instrumente an Bord sind mehrfach vorhanden, vom Flugzeugrumpf isoliert und geerdet. Da ein Flugzeugrumpf, wie ein Auto, ein Faraday’scher Käfig ist, wird der Strom nicht in das Flugzeug geleitet, sondern fließt am Rumpf entlang, bis er wieder austritt. Bei der neuesten Generation an Verkehrsflugzeugen besteht der Rumpf aus Kohlefaser, die Strom deutlich schlechter leitet. Hier wird eine Art Metalgitter mit eingearbeitet, das den Stromfluss eines Blitzschlags ableitet. Wird ein Flugzeug von einem Blitz getroffen, entscheidet die Cockpit Crew nach einem Check ihrer Instrumente, ob sie weiterfliegt oder zur Sicherheit auf dem nächsten Flughafen landet. In den meisten Fällen sind die einzigen sichtbaren Spuren, die ein Blitzeinschlag an einem Flugzeug hinterlässt, kleine Brandspuren an den Ein- und Austrittsstellen.  

Warum werden Gewitter trotzdem umflogen?

Wie wir schon vorhin beschrieben haben, können in Gewittern auch extreme Böen und Hagel eingebettet sein. Wer schon einmal durch Turbulenzen geflogen ist, hat vielleicht bemerkt, wie stark Tragflächen dabei nach oben und unten schwingen können. Was auf den ersten Blick beängstigend wirken kann, ist aber beabsichtigt. Flugzeugtragflächen sind so biegsam gebaut, um eben diesen starken Turbulenzen standhalten zu können. Eine andere Gefahr ist Hagelschlag. Große Hagelkörner können ein Flugzeug gerade im Bereich der Nase, der Triebwerkseinlässe und Tragflügelvorderkanten beschädigen. Hier auftretende Schäden beeinträchtigen aber nicht die Sicherheit eines Flugzeuges. Cockpitscheiben sind so massiv gebaut, dass Hagelkörner die Scheiben nicht durchschlagen können. Neben der Risikominimierung und dem Komfort der Passagiere kommen dazu auch rein wirtschaftlicher Aspekte zum Tragen. Wird ein Flugzeug von einem Blitz getroffen oder durch Hagel beschädigt, muss es auf jeden Fall einer Sicherheitsinspektion unterzogen und gegebenenfalls beschädigte Teile ausgetauscht werden. Die Folge sind Reparaturkosten und der Ausfall des Flugzeuges für die Zeit der Wartung.   

Drei Lufthansa Maschinen am Vorfeld, Gewitterstimmung im Hintergrund | © Linz Airport

Als Fazit zum Thema „Flugverkehr und Wetter: Gewitter“ kann man die Tatsache ziehen, dass, auch wenn Flugzeuge für solche Belastungen ausgelegt sind, kein Pilot ein unnötiges Risiko eingeht, den Passagieren mehr Turbulenzen zumutet als unbedingt nötig und auch nicht den Ausfall des Flugzeuges durch außerplanmäßige Wartungsarbeiten riskiert. Deshalb keine Sorge! Wenn mal bei einem Flug draußen Blitze zucken und es etwas holprig werden sollte, sind Sie in verantwortungsvollen Händen und werden sicher durch das Unwetter manövriert.

Norbert Behring